18. Die Reise von der Vergangenheit in die Gegenwart

Die Vergangenheit ist nie wirklich da. Du kannst sie dir zwar vorstellen, von ihr träumen oder dich in sie hineinversetzen. Doch wenn du das tust, dann ist die Gegenwart aus deinem Bewusstsein verschwunden. Dort ist jetzt die Vergangenheit, die zu deiner Gegenwart geworden zu sein scheint.
In Wirklichkeit aber kannst du nur in der Gegenwart sein.

In deinem momentanen Erleben scheint jedoch die Gegenwart so flüchtig zu sein, dass sie praktisch nie erlebt werden kann, denn „jetzt“ ist bereits vorbei, sobald du „jetzt“ sagst oder denkst. So scheinen wir hier in einer Gegenwart zu leben, die für uns nicht greifbar ist, während die Vergangenheit scheinbar tatsächlich passiert ist, da wir uns an sie erinnern können. Und sogar die Zukunft erscheint hier noch wirklicher als die Gegenwart, denn auch die Zukunft können wir uns vorstellen, von ihr träumen oder uns in sie hineinversetzen. Das Morgen ist der Beweis dafür, dass das Gestern wirklich da war. Und im Jetzt halten wir beide für wahr. Ein Leben ohne Vergangenheit und Zukunft ist für uns kaum vorstellbar – und wenn, bereitet uns die Vorstellung Angst, denn allein Vergangenheit und Zukunft retten uns vor der Flüchtigkeit der Gegenwart.

Vielleicht bemerken wir sogar, dass Vergangenheit und Zukunft einander insofern ähnlich sind, als wir uns in beide hineinversetzen müssen. Von beiden kann man nur träumen oder sie sich vorstellen – bei der Vergangenheit wird man dazu „erinnern“ sagen, bei der Zukunft vielleicht „phantasieren“.
Und obwohl wir wissen, dass wir dort nicht wirklich leben können, sind Vergangenheit und Zukunft für uns oft attraktiver als die ach so flüchtige Gegenwart.

Der Kurs aber wirft ein anderes Licht auf das ganze Phänomen, das wir Zeit nennen. Da wird davon gesprochen, dass die Vergangenheit erfunden wurde, um die Gegenwart zu verbergen und dass wir hier nur die Vergangenheit sehen. Darüber hinaus seien beide – Vergangenheit und Zukunft – in Wahrheit bereits „vergangen“.

Wir glauben also, etwas zu sehen, was überhaupt nicht da ist. Dafür können wir das, was es tatsächlich zu sehen gibt, nicht sehen – gebannt von der Wahrnehmung der Vergangenheit, die unsere ganze Welt ausmacht.
 Und es gibt wohl kaum einen Kursschüler, der diese Aussagen nicht zeitweilig bezweifelt – um nicht zu sagen – für absurd hält.

Jesus, der Autor des Kurses, weiß dies natürlich und weist daher jeden, der diesen Kurs lernen möchte, in der Einleitung zum Übungsbuch an, diese Ideen – wie unglaublich oder absurd er sie auch finden mag – einfach nur zu üben und sie nicht zu beurteilen.

Nehmen wir einmal an, dass wahr ist, was Jesus sagt, dann kennen wir die Gegenwart, die ER meint, überhaupt nicht. Wir haben uns sozusagen in einer Vergangenheit verloren, verirrt. Unsere Träume und Phantasien sind für uns so „wirklich“ geworden, dass wir darüber die Gegenwart, von der ER spricht, vollkommen vergessen haben. Und doch ist sie unsere einzige Wirklichkeit. Jedoch solange wir uns an SEINE Gegenwart nicht erinnern, bleiben wir in der Vergangenheit gefangen.

Der Kurs ist also dazu da, uns an eine andere Art von GEGENWART zu erinnern. Und dieses Erinnern wird als ein Prozess empfunden, in dessen Verlauf wir immer mehr eine GEGENWART kennen lernen, die keine Zeit ist – die keine zeitliche Dimension hat. SIE ist eher ein Gefühl oder ein Zustand, eine Erfahrung des Friedens und des Glücks.
 Diese GEGENWART ist also nicht nur als ein vorübergehender Aspekt der Wirklichkeit zu sehen – SIE ist die WIRKLICHKEIT SELBST.

Wenn wir dieser GEGENWART gewahr sind, so erleben wir einen Zustand, der uns über die Zeitebene hinausführt in etwas, das nie vergeht, immer da ist, und in dem wir völlig wunschlos sind – außer vielleicht, dass wir diesen Zustand ausdehnen wollen.
 Liebe, Frieden, Freude und eine Glückseligkeit ohne Gegenteil herrschen dort – und werden erst dort in ihrer ganzen Bedeutung erfasst – GOTT.

Wenn wir diese GEGENWART GOTTES das erste Mal erfahren, dann wollen wir, dass SIE uns nie mehr verlasse. Und fast im selben Augenblick finden wir uns wieder in der Vergangenheit, denn wir haben die Zeit wieder ins Spiel gebracht – und die gibt es nur in der Vergangenheit. Nur hier hat sie einen Sinn, denn hier muss noch etwas erreicht, etwas verändert werden. Hier gibt es noch Unvollkommenheit, welche in der GEGENWART GOTTES einfach verschwindet.

Jetzt wird uns erst klar, warum der Kurs lehrt, dass wir nur die Vergangenheit – sprich Unwirklichkeit – sehen. Nun, da wir die GEGENWART einmal erlebt haben, wissen wir, dass dies wahr ist. Und wir möchten wieder DORTHIN. Die Reise DORTHIN wird bald zu unserem einzigen Wunsch. Doch erfahren wir DORT auch, dass es hier für uns noch einiges zu tun gibt.
 Wir erleben – auch wenn wir wieder in die Vergangenheit zurückkehren – dass wir ein Stück GEGENWART sogar hierher mitbringen. Und das wird immer mehr unser Anliegen.

Wir erkennen, dass wir als Zeitreisende hier eine freudige Funktion zu erfüllen haben. Wir beginnen zu erkennen, dass diese Zeitreise immer alle unternehmen – denn nur hier, in der Vergangenheit, scheinen wir getrennt von den anderen zu sein.

In der Gegenwart sehen wir, dass unsere Brüder nicht von uns getrennt sind. Dort sind wir alle gemeinsam, alle eins in vollkommener Sicherheit, eins in GOTT.
 Dort braucht keiner an die Wirklichkeit erinnert zu werden.
Doch hier ist die Erinnerung, dass unsere Getrenntheit voneinander und von GOTT vergangen – also nicht wirklich ist, die Erlösung für jeden, der den Schmerz der Trennung nicht mehr länger will.

Wir können nun jeden, der sich als Körper sieht, in einer Welt, in der alles nur zu leben scheint, um dann zu sterben, und auch jeden, der Sünde und Schuld wahrnimmt und sich als Opfer oder Täter betrachtet, auf unsere Reise in die GEGENWART mitnehmen, damit niemand länger in der Vergangenheit auf die Erlösung warten muss.

Und je öfter wir diese Reisen – aus der Zeit heraus in die WIRKLICHKEIT – unternehmen, desto mehr Aussagen des Kurses, die vielleicht lange unverständlich waren, bestätigen sich als tatsächlich wahr. In der GEGENWART GOTTES werden all diese Ideen, welche vorher eher theoretisch geübt wurden, wirklich erlebt. Wir erleben, dass sie allesamt wirklich wahr sind.

Dieses Phänomen erstaunt wahrscheinlich jeden, obwohl eigentlich klar sein müsste, dass dies gar nicht anders sein kann – da der Kurs von JEMANDEM kommt, DER in der GEGENWART GOTTES lebt.

WER sonst könnte über die WIRKLICHKEIT Bescheid wissen?
WER
sonst könnte den ganzen Überblick haben?

Und WER sonst wüsste mit Bestimmtheit, dass nur die Wahrheit wahr ist – dass es nur die GEGENWART GOTTES gibt – und dass man sich in alles andere nur hineinversetzen, es sich vorstellen oder davon träumen kann?

GOTT sei Dank!

Und WER sonst könnte es möglich machen, dass wir schließlich alle unsere Reisen aufgeben werden, um für immer in der GEGENWART GOTTES zu bleiben?


Gut zum Nachlesen: Übungsbuch, Lektionen 6 – 9, S. 10 – 15 und Lektionen 288 – 290, S.442 und 443.
Textbuch, Kapitel 13, IV. „Die Funktion der Zeit“ , S. 245 ff und VI. „Die Gegenwart finden“, S. 250 ff.