24. Der kleine Geist – Eine Geschichte

Es war einmal ein kleiner Geist. Er wollte sich vor dem GROSSEN GEIST verstecken. Also baute er sich einen Unterschlupf, den er „Körper“ nannte. Der kleine Geist erklärte dem Körper, dass er seine Wohnung wäre, und der Körper freute sich, denn nun hatte er eine Funktion – er war nützlich. Und alle Dinge sind gerne nützlich.
 Natürlich konnte der Körper nicht wissen, was seine eigentliche Funktion war – nämlich, den kleinen Geist vor dem GROSSEN GEIST zu verstecken.

Der kleine Geist richtete sich den Körper ganz nach seinen Bedürfnissen ein. Dies ging bald so weit, dass er sich vollkommen mit dem Körper identifizierte. Er gab ihm sogar seinen Namen und erwartete von ihm, dass er ihm alles besorgte, was dem kleinen Geist notwendig und sinnvoll erschien. Er hielt ihn ständig auf Trab, denn er brauchte einmal dies und ein andermal das. Er schrieb ihm sogar vor, welchen Gesetzen er sich zu beugen hätte, was ihm Lust und was ihm Schmerz bereiten solle.
 Der Körper war ein braver Diener. Er gehorchte seinem Meister, auch wenn dieser ihm immer alle Schuld für sein Unglück oder seine Not gab. Und sogar wenn der kleine Geist ihm einredete, dass er der Herrscher über das Universum wäre, versuchte der Körper, den Wünschen seines Meisters nachzukommen.

Inzwischen hatte der kleine Geist vollkommen vergessen, dass er tatsächlich Geist war. Er hatte vergessen, dass er sich den Körper gemacht hatte und diesen nach seinen Wünschen befehligte. Auch hatte er vergessen, warum er dies gemacht hat. Der GROSSE GEIST war praktisch völlig aus seinem Bewusstsein verschwunden.

Dieses Vergessen hatte für den kleinen Geist verheerende Folgen: Seine Unverletzlichkeit und Unsterblichkeit waren dahin, war er doch nun seinen selbst erfundenen Gesetzen ausgeliefert, die ihn verletzbar und sterblich machten. Jetzt musste er seine ganze Energie in die Absicherung und Verteidigung des Körpers stecken und hatte dennoch einen Feind, den er niemals besiegen konnte – den Tod, der schließlich sein Ende besiegeln würde.

In dieser großen Not rief der kleine Geist – denn das war er ja trotz allem immer geblieben – nach dem GROSSEN GEIST, an DEN seine Verzweiflung und sein Gefühl der Ausweglosigkeit und Einsamkeit ihn endlich erinnerten. Und der GROSSE GEIST, DER die ganze Zeit nur darauf gewartet hatte, dass SEIN SOHN wieder aus seinem Versteck hervorkommen wollte, antwortete ihm mit großer Freude. ER flüsterte ihm aus großer Nähe zu:
„Mein geliebter Sohn, der Körper behindert dich nicht! Du kannst dich nach wie vor völlig frei bewegen. Der Körper folgt nur deinen Befehlen – er tut von sich aus überhaupt nichts. Dehne dich einfach aus! Du wirst sehen, es ist ganz einfach!“

Und der kleine Geist tat nach einigem Zögern wie ihm geheißen – und wie groß war sein Erstaunen, als er sich wieder mit dem GROSSEN GEIST vereint fand! Was für ein Glück und welche Freude! Diese unbeschreibliche Freiheit!

Und fast im gleichen Moment erinnerte er sich:
 Dort, wo er gewesen war, hatte es noch viele andere Körper gegeben! Das mussten seine Brüder sein, die sich wie er in Körpern versteckt hatten! Die glaubten sicher auch, dass sie dort gefangen wären – so, wie er es gerade eben noch geglaubt hatte.
 Welche Liebe und welch Mitgefühl entbrannten da in ihm für jeden von ihnen!

Sein Körper war ja noch da – und da bat er SEINEN VATER, ob er sich nochmals in den Körper begeben könne. Jetzt würde er nicht mehr vergessen. Jetzt wusste er ja, dass SEIN VATER immer mit ihm war, wohin er auch ging.
 Er wollte allen Brüdern, die gewillt waren zu hören, diese frohe Botschaft verkünden!
 Die Wahrheit darüber, was sie wirklich sind – dass sie frei sind, jederzeit, wenn sie nur wollen! Dass sie keinen Gesetzen unterworfen sind außer dem Gesetz, das sie für immer in Freiheit belässt!

Und der VATER lächelte auf SEINEN SOHN und sprach:

„Gehen wir, mein Geliebter,
und bringen wir alle deine Brüder nach Hause!“